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Mitten im Leben

Mein FSJ ist so gut wie um und Schande über mich, dass ich es nicht mehr als zweimal in diesem Jahr geschafft habe, hier etwas zu schreiben. Nun aber immerhin noch ein kleiner Abschlusstext.

Rückblickend wirkt das Jahr wie eine Stunde, so schnell ist es vergangen und doch erinnere ich mich noch an jede einzelne Sekunde. Ich bin vielen verschiedenen Menschen begegnet und habe neue Freundschaften geschlossen. Ich habe Erfahrungen gesammelt und bin an neuen Aufgaben gewachsen. Ich habe gelacht und mich gefreut, habe Anerkennung und Lob erfahren und manch einsame und traurige Minute erlebt.

Es gibt Lebensgeschichten von Klienten, die ich wahrscheinlich mein Leben lang nicht vergessen werde und es gibt Erlebnisse, die ich tief in meinem Herzen fest halten möchte.

Das sind alltägliche Situationen: Ein harmonisches Abendessen bei dem gelacht wurde und ausnahmsweise einmal keine Schimpfwörter fielen. Das herzlich, fröhliche Lachen eines geistig behinderten Jungen  beim Schaukeln auf dem Spielplatz. Eine plötzliche Umarmung. Das Bangen eines 15-Jährigen Mädchens um eine mögliche Schwangerschaft und die Erleichterung über den negativen Test. Vertrauliche Gespräche und Vertrauensbeweise. Jugendliche wachsen zu sehen. Und selbst dabei zu wachsen.

„Mitten im Leben“- das war nicht nur der Titel einer bekannten „Pseudo- Doku“ wie Wikipedia es nennt, es ist auch eine treffende Beschreibung meines Befindens! Zwischen Schimpfwörtern vom Feinsten, „Null- Bock –Haltung“, Assi- Slang und Joggingklamotten fühlt man sich mitten in das Leben versetzt, das doch eigentlich ganz fern scheint, aber doch so nah ist.

Soziale Brennpunkte gibt es überall, man muss nur hin sehen. Ich hab ein Jahr lang mit Jugendlichen aus solchen sogenannten Ghettovierteln zusammen gearbeitet und fest gestellt, ein Kennenlernen lohnt sich!

Vielleicht ist dies das Wichtigste, was ich von dieser Arbeit mitnehme: Vorurteile abzulegen und unvoreingenommen und offen auf Menschen zu zugehen. Dem Gegenüber eine Chance zu geben, seinen eigenen Weg zu gehen und Fehler zu verzeihen.

In diesem Sinne stehe auch ich mitten im Leben: Stolz und zufrieden über ein Jahr Lebenserfahrung. Ab Herbst beginnt wieder ein neues Kapitel in meiner Lebensgeschichte und ich bin mir sicher, auch dieses wird aufregend und spannend, lehrreich und spaßig und sicherlich auch manchmal hart und traurig. Eben voll das Leben!

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Ein Kommentar zu Mitten im Leben

  1. Hermann sagt:

    Toller Beitrag, die Frage die ich mir immer stelle … Wo soll man anfangen und oftmals tendiere ich dann dazu zu sagen, vor der Haustür. Denn auch bei uns zu Lande gibt es genügend Kinder die sehr hilsbedürfig sind. Aber so lange jeder einfach anpackt, ist uns allen geholfen.

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