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Alltag – mehr oder weniger

Mittwochmorgen in Butiama. Es ist 6.00 Uhr.

 

Der erste Esel schreit, gleich darauf folgt ein Hahn und 10 Minuten später wird auch die Musik wieder angeschaltet, die nur gut 6 Stunden zuvor zur Ruhe kam. Ausreichend Schlaf ist daher und wegen fehlender Fensterscheiben eher Mangelware. Also stehen wir auf und waschen uns in unserer „Dusche“. Zum Glück ist heute Wasser da. Das wurde in den letzten Tagen schon bedrohlich knapp, denn der erhoffte Regen blieb aus und der Wassertank, der uns normalerweise mit Wasser versorgt somit leer. Aber wie durch Zauberhand kommt ein netter Mann mit sehr vielen Wasserkanistern vorbei, die er vermutlich an dem nächsten Brunnen gefüllt hat. Eine Sorge weniger.
Frühstück. Es gibt den „guten“ Instantkaffee der Marke Africafe und Chapati (Pfannkuchen). Manchmal gibt es auch Mandasi (kleine Teigbällchen) oder Weißbrot mit Marmelade. Ein Stück Vollkornbrot mit Käse wäre da mal eine gelungene Abwechslung.

Anschließend geht es mit EINEM Pikipiki (Motorradtaxi) zur Schule. Auf dem 10-minütigen Weg kommen wir am Zentrum von Butiama vorbei. Dort gibt es viele kleine Lebensmittelläden, die im Vergleich allerdings sehr teuer sind; einen Schneider; einen Friseur; zwei Restaurants; ein Krankenhaus, das eher weniger empfehlenswert ist; eine Tischlerei und sogar eine Tankstelle. Am Ortsausgang beginnt eine Teerstraße, die nach Musoma führt. Es wartet schon ein Bus bis er mit mindestens 10 Personen zu viel in Richtung Musoma abfährt. Die 20-minütige Fahrt ist wenig komfortabel, für tansanische Verhältnisse aber sehr kurz.
Weiter geht es einen mörderischen Abhang hinunter. Der Motor wird ausgeschaltet, um Benzin zu sparen, doch in der nächsten Senke wird er auch schon wieder angeschmissen, denn einen noch steileren Berg gilt es zu erklimmen. Die Sonne scheint, eine angenehme Brise weht uns durchs Haar und wir werden von den bereits bekannten „Wazungu“-Rufen begleitet.
In der Schule. Auf dem Stundenplan steht Vocational Skills (vergleichbar mit Kunst) in Klasse 3. Einen Lehrer suchen wir vergeblich und so beschließen wir einfach anzufangen. Ist vielleicht auch besser so, dann werden die Kinder wenigstens nicht geschlagen. Bis alle Schüler im Klassenraum sind vergehen einige Minuten. Die Räume wirken trist und grau. Abgesehen von genügend heilen Tischen und Stühlen für jeden Schüler, fehlen nette Bilder oder Plakate völlig. Und so versuchen wir in einem Raum ohne Atmosphäre und ohne Materialien die Kreativität und Fantasie der Kinder anzuregen, wobei selbst das Malen der Lieblingstiere schon eine Herausforderung darstellt.
Lunchtime. Pünktlich und zu geregelten Zeiten läuft hier nichts. Wie auch, ohne eine einzige Uhr auf dem gesamten Schulgelände. Zu Mittag essen wir in der Schule. Es gibt Reis mit Spinat oder Bohnen. Das ist schon die Luxusvariante, denn die Kinder bekommen jeden Tag Ugali. Frisches Obst oder ausreichend Wasser gibt es für die Schüler nicht.
Nach einer weiteren Stunde Handwriting steht eigentlich IT auf dem Plan, was sich jedoch ohne einen funktionsfähigen PC sehr schwierig gestaltet. Aber wir als Deutsche sind ja Experten, wir können das ja mal eben schnell reparieren…
Obwohl die Schule auf einem Berg liegt, ist das Handynetz sehr schlecht. Das macht den Rücktransport nicht gerade einfach, sodass wir immer eine gewisse Zeit warten müssen, bis wir einen Fahrer erreichen.
Die Kommunikation herrscht in Tansania fast ausschließlich über das Mobilfunknetz. Schon so sehr, dass man immer nach dem Anbieter gefragt wird, denn man möchte mit seinem Mehrfachkartenhandy ja den möglichst günstigsten Tarif wählen. Unser Internet empfangen wir über einen Stick, der als Wlan-Modem fungiert und wie ein Prepaid-Handy monatlich aufgeladen wird.
Zuhause. Den Nachmittag verbringen wir damit zu lesen, Tagebuch zu schreiben, mit der kleinen Lois zu spielen oder uns Projekte für die Schule zu überlegen. Wir würden zum Beispiel gern mit jeder Klasse ihren Raum neu gestalten, die Wände bunt streichen und im Rahmen des Geografieunterrichts einen Schulgarten anlegen. Inwiefern wir das alles realisieren können, hängt aber natürlich auch vom Budget der Schule ab.
Das Abessen ist fertig und Nyangi, die man wirklich einmal live erleben muss, ruft schallend zu Tisch: „Karibu Chakula!“ Heute gibt es Nudeln mit Fleisch. Es wird mit Süßkartofflen, Kochbananen, Reis, Ugali, Nudeln oder herzhaften Chapati zwar abwechslungsreich gekocht , aber frisches Obst oder Gemüse gibt es für mein Empfinden etwas zu selten. Wir fahren aber wöchentlich an einem unserer freien Tage (Montags und Dienstags) nach Musoma und kaufen uns dort oder Mittwochs in Butiama frisches Gemüse und Obst auf dem Markt.
Essen müssen wir heute bei Kerzenschein, denn schon seit zwei ganzen Tagen haben wir keinen Strom. Es gibt in Tansania zwar Kraftwerke, doch durch schlechte Leitungen und fehlendes Know-How der Angestellten kommt es immer wieder zu Stromausfällen. Dabei wäre es mit Solarenergie so einfach das ganze Land mit einwandfreiem Strom zu versorgen.
Es riecht unangenehm nach Plastik. Das liegt wohl an der Mülldeponie gegenüber unseres Hauses, auf den man seinen Müll schmeißt und anzündet. Allerdings tut das noch lange nicht jeder, sodass die schöne Natur leider einem Festivalgelände ähnelt.
Wir setzten uns mit den anderen ins Wohnzimmer und gucken fern. Das Programm erinnert uns doch stark an die 80er, was aber daran liegt, dass es in Tansania erst seit den 90er Jahren regionale Fernsehsender gibt.
Erschöpft (wovon auch immer) gehen wir ins Bett und glauben ganz fest daran, dass wir unsere Pläne verwirklichen können.

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2 Kommentare zu Alltag – mehr oder weniger

  1. Yannik Meyer sagt:

    Liebes Schwesterherz,
    ich weiß, du warst schon ein bisschen muksch, weil Philipp und ich uns noch nicht gemeldet haben 🙂
    Aber hab keine Angst, ich für meinen Teil denke jeden Tag an dich und erzähle ständig was meine Schwester für eine großartige Sache durch zieht.
    Ich weiß ja auch, durch die Arbeit mit Richie, wie extrem die kulturellen Unterschiede sind, aber bin mir sicher, dass nach und nach, in kleinen Schritten mehr gegenseitiges Verständnis entstehen wird.
    Lass dich nicht entmutigen und bleib bitte so optimistisch!!
    Ich bin stolz auf dich.
    Dein Yannik

  2. kiki sagt:

    durch euer engagement in der schule werdet ihr von zeit zu zeit bestimmt viel bewirken. ihr schafft das <3

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